Mittwoch, 22. Oktober 2014

Pechdraht - So geht das.

Unter einem Pechdraht versteht man ein verzwirntes Bündel aus mehreren (Leinen-)Einzelgarnen, welches durch Pech und Wachs zusammengehalten und verfestigt wird.
Auf Pechdrähte stößt man beispielsweise, wenn man sich selbst (mittelalterliche) Schuhe näht. Durch die Verwendung eines Pechdrahtes erhält man eine höchst widerstandsfähige Verbindung, da Pechdrähte meiner Erfahrung nach weniger scheueranfällig sind und auch selten reißen (eine Folge des verzwirnens). Zudem kann der Pechdraht eine (Leder-)Naht auch direkt abdichten.

Wie stellt man also nun einen Pechdraht her bzw. was wird zur Herstellung benötigt?

Primär werden benötigt:
  • Schusterpech
  • Bienenwachs
  • Leinengarn

Zum weiteren Verarbeiten braucht man dann:
  • Eine Ahle
  • Sattlernadeln oder Borsten (hier Nadeln)


 Und so gehts:

Garne vorbereiten
Man wickelt sich von der Spule mehrere gleich lange Garnstränge ab (hier drei).
Wie viele Garne man verwendet, hängt davon ab, was man vernähen will. Je stärker die Beanspruchung, desto mehr Stränge.

Garne aufrillen
Dann werden die Enden der Garne aufgedrillt. Hierzu greift man mit der linken Hand etwa 10cm vom Garnende entfernt den Garn (siehe Punkt) und hält ihn fest. Das Ende wird über das rechte Hosenbein gelegt.
Nun legt man die rechte Hand auf den Garn, Zeigefinger der linken Hand und die rechte Hand berühren sich (mit der linken musste ich den Foto halten).
Während man nun den Garn mit der rechten Hand nach vorne rollt, zieht man mit der linken Hand den Garn nach links.
Somit kann man in einer fließenden Bewegung die kompletten 10cm aufdrillen.
Ggf. wiederholen, bis die Fasern locker sind.

Dies führt man mit allen (hier 3) Garnenden auf beiden Seiten durch.

Spitze verdrillen
Der nächste Schritt hängt davon ab, mit was man nähen will.
Hier die Lösung für Schweine- oder Stahlborsten:
Da Borsten sehr dünn sind, braucht man einen Pechdraht, der am Anfang ebenfalls dünn ist, damit man Borste und Draht gut durch die sehr kleinen Löcher im Leder ziehen kann.
Wir legen die Enden der Garnstränge also jeweils um 5cm versetzt aneinander wie oben auf dem Bild. Dann werden die Enden verdrillt.

Hier die Lösung für Sattlernadeln:
 
Da Sattlernadeln an sich schon relativ dick sind, kommt man auch mit dickerem Draht durch das größere Loch. Hier können wir also die drei Garnenden auf gleicher Höhe zusammenfassen. Dann werden die Enden verdrillt:

 Das funktioniert nun genauso wie das Aufdrillen der Garnenden. Mit links ziehen, mit rechts über die Hose rollen. Immer nur nach vorne, oft hintereinander, bis aus drei Garnen ein Zwirn wird.

 Das ist das Zwischenergebnis. Hier kann man schön sehen, wie der Zwirn langsam dicker wird.

Spitze pichen
Damit die Spitze zusammenhält, pichen wir sie ersteinmal. Dafür nehmen wir den Pechballen in die linke hand, legen die verdrillte Spitze darauf und halten sie mit dem Daumen fest. Dann ziehen wir schnell am unverdrillten Ende, während der Daumen den Zwirn gegen das Pech drückt. Mehrmals wiederholen...
Durch die Reibungsenergie wird das Pech "flüssig" (eigentlich nur niedrigviskoser) und haftet an den Fasern an. Diese werden somit verklebt und "steif" wie auf dem Ergebnisbild zu sehen.

Den Rest verdrillen
Damit alles schön zusammenhält und sauber gepicht werden kann, müssen wir die Garne über die Gesamtlänge verdrillen. Hierzu spannen wir den Strang über irgendeine Art Haken (Türklinke, Schraubzwinge, etc), sodass wir beide Enden lose zur Verfügung haben. Die Enden werden auf das Hosenbein gelegt und die Rechte Hand wird wiederum auf die Enden gelegt.
Von diesem Zeitpunkt an stehen die Stränge konstant unter Spannung und dürfen nie komplett losgelassen werden!
Dann fährt die Rechte Hand wie gehabt nach vorne und der Strang verdrillt sich.
Dabei sollte man darauf achten, dass sich die Garnenden nicht miteinander verdrillen!
Hat man den "Endpunkt" erreicht, greift man beide Stränge mit der linken Hand an der Stelle, die ich mit einem Punkt markiert habe, und führt die Stränge wieder auf die Ausgangsposition.  Nun wiederholt man das so oft, bis die Garne richtig fest verdrillt sind.
Das auf dem Bild obendrüber reicht noch nicht!
So ist es gut. Nicht loslassen!!!

Zwirn pichen
Jetzt, da alles schön verdrillt ist, können wir den entstandenen Zwirn pichen. Dadurch wird u.A. verhindert, dass sich alles wieder aufdrillt sobald man los lässt. Man klemmt nun also den Zwirn zwischen Pechballen und Daumen ein und zieht den Ballen dann schnell zu sich. Dabei hält man den Zwirn mit der rechten Hand noch immer fest! Man sollte darauf achten, dass die Stränge dabei nicht miteinander in Berührung kommen, da sie sonst verkleben.
Mehrmals wiederholen, damit der Zwirn von allen Seiten mit Pech bedeckt wird (er dreht sich dabei ganz von allen).

Unter Spannung ziehen wir nun ein Ende des Zwirns weiter vom Haken weg, sodass die ungepichte Stelle des Zwirns, die hinter dem Haken war ebenfalls gepicht werden kann.
Danach, also wenn der gesamte Zwirn gepicht wurde, kann man endlich loslassen und seine rechte Hand auflockern.

Somit ist aus dem Zwirn ein "Draht" geworden. Aber wir sind noch nicht ganz fertig...

Draht wachsen

Der Draht ist nun noch ziemlich klebrig, was das Nähen erschwert. Daher wiederholen wir die letze Prozedur noch einmal mit Bienenwachs. Dadurch wird der Draht schön gleitfähig.

Draht polieren
Jetzt folgt der letzte Arbeitsschritt: Das polieren. Hierzu nehmen wir ein Stückchen fusselfreien Stoff (beispielsweise Leinen), schlagen ihn um den Draht und "rubbeln" damit den gespannten Draht auf ganzer Länge ab. Hier kommt wieder die Reibungsenergie ins Spiel: Wachs und Pech werden mehr oder weniger flüssig und durch die Kapillarwirkung in den Draht (und natürlich in den Stoff) gesaugt. Dadurch wird der Draht praktisch auch im Kern gepicht und erhält eine recht glatte Oberfläche.


Ergebnis:
Nach etwa einer viertel Stunde Arbeit sitze ich vor zwei fertigen Pechdrähten.

Nähvorbereitung:
Da wir beim Ledernähen oft recht fest an Borste oder Nadel ziehen müssen um sie mitsamt Draht durch das mit der Ahle geriebene Loch zu bekommen, befestigt man den Draht auf eine besondere Weise an seinem Werkzeug.

Etwa 5cm vom Drahtende entfernt (auf dem Beispielbild zu kurz) sticht man mit der Nadel bzw. Borste mehrfach möglichst mittig durch den Draht.

Man zieht das Drahtende etwa bis 2mm vor dem ersten Durchstich durch das Öhr, dann schiebt man die Durchstiche vorsichtig (in Pfeilrichtung) über das Öhr.

Der Draht hält sich somit ohne "Knoten" selbst am Werkzeug. Verdrillt man das ganze nun noch etwas, klebt es durch das Pech zusammen und löst sich somit praktisch nie von selbst :)


Wie kommt ein Laie wie der Mojo an dieses rar gesähte Wissen?
Ich habe es durch den hervorragenden Schuhbausatz von Meister Knieriem gelernt. An dieser Stelle nochmal vielen Dank an Herrn von der Heide für die tolle Bausatz Idee und fürs Vermitteln seines Wissens!


Viel Spaß beim ausprobieren!

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